Alt Kairo verzaubert mit seiner jahrhundertealten Geschichte und zählt zu den faszinierendsten historischen Stadtkernen weltweit. Seit 1979 gehört die Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als eine der ältesten islamischen Städte der Welt, die für ihre berühmten Moscheen, Medressen, Hamams und Brunnen bekannt ist.
Die Geschichte Kairos reicht bis ins Jahr 969 zurück, als die königliche Residenz der Fatimiden-Kalifen errichtet wurde. Mit seinen 270.270 Einwohnern (2024) bildet Alt-Kairo heute einen lebendigen Stadtteil südlich der Garden City. Die Kairo Altstadt wird als die größte mittelalterliche Stadt der Welt angesehen, in der traditionelle Lebensformen noch immer Teil des Alltags sind.
Das koptische Viertel Kairos beherbergt außerdem beeindruckende Zeugnisse verschiedener Kulturen, während die Kairo Geschichte an jeder Ecke spürbar ist. Besonders bemerkenswert ist auch die Festung Babylon, die zu den bedeutendsten römischen Militäreinrichtungen zählt und in römischer sowie byzantinischer Zeit genutzt wurde.
Wir laden Sie ein, mit uns diese verborgenen Schätze zu entdecken und in die faszinierende Welt des historischen Ägyptens einzutauchen.
Die Wurzeln von Alt-Kairo reichen weit zurück und erzählen eine faszinierende Geschichte kultureller Vielfalt. Wer heute durch die schmalen Gassen der Kairo Altstadt schlendert, wandelt auf historischem Boden, dessen Entwicklung vor fast 1400 Jahren begann.
Nach der Eroberung Ägyptens durch die arabischen Truppen unter der Führung von Amr ibn al-As im Jahr 641 entstand die erste islamische Siedlung auf ägyptischem Boden.
Obwohl Alexandria damals die unbestrittene Metropole des Landes war, entschied sich der Kalif Umar gegen diese Küstenstadt als Hauptstadt, da sie zu diesem Zeitpunkt der Gefahr oströmischer Angriffe zur See ausgesetzt war.
Stattdessen wählte Amr ibn al-As einen strategisch günstigen Ort nahe der byzantinischen Festung Babylon, etwa 400 Meter davon entfernt, wo er während der Belagerung sein Zelt aufgeschlagen hatte.
Diese neue Siedlung erhielt den Namen Fustat, was auf Arabisch "Zelt" bedeutet – eine Bezeichnung, die auf den ursprünglichen Charakter der Zeltstadt hinweist.
Das erste Gebäude der neuen Stadt war eine Moschee, die später als Moschee von Amr ibn al-As bekannt wurde. Im Frühjahr 643 gründete Amr ibn al-As offiziell diese neue arabische Militärsiedlung neben der alten Festung Babylon.
Im Laufe der Zeit wuchs Fustat beträchtlich und entwickelte sich zum wichtigsten Wirtschaftszentrum Ägyptens. Die Stadt diente bis zur Gründung von Kairo im Jahre 969 als Verwaltungszentrum des Landes. Darüber hinaus bildete Fustat neben Basra und Kufa eine der ersten Städte, die die Araber nach ihrer Eroberung des Vorderen Orients gründeten.
Ein bedeutender Wandel trat ein, als die Fatimiden unter Dschauhar as-Siqillī im Jahre 969 Ägypten eroberten. Vier Kilometer nordöstlich von Fustat errichteten sie ein neues, rechteckiges Militärlager.
Laut dem Historiker al-Maqrīzī begannen die Bauarbeiten am 6. Juli 969. Innerhalb dieses Lagers baute Dschauhar eine Freitagsmoschee, in der im Juni 971 zum ersten Mal das Freitagsgebet verrichtet wurde.
Nach erfolgreicher Abwehr der bedeutendsten Angriffe der Qarmaten auf Ägypten, traf im Sommer 972 der fatimidische Imam-Kalif Abu Tamim al-Muizz Vorbereitungen, um seine Hauptstadt an den Nil zu verlegen.
Dschauhar legte im Frühjahr 973 in der neuen Lagerstadt einen prachtvollen Palast an, den der Imam-Kalif im Sommer desselben Jahres bezog. Bei dieser Gelegenheit wurde die neue Palaststadt in al-Qāhira al-Muʿizzīya ("die Siegreiche des Muʿizz") umbenannt – in der Kurzform al-Qāhira ist dies bis heute der Name der Stadt geblieben.
Unter den Fatimiden entwickelte sich Kairo zu einem politischen Zentrum eines Reiches, das sich von Marokko bis in den Nahen Osten erstreckte. Auch Fustat profitierte von der politischen Bedeutung der neuen Nachbarstadt und entwickelte sich zu einem internationalen Handelszentrum.
Der arabische Geograph al-Muqaddasī beschrieb die Stadt im Jahr 988 als "Metropole in jeder Hinsicht" und betonte, sie sei "der Stolz des Islams, der Handelsplatz der Menschen und prächtiger als die Stadt des Friedens".
Besonders bemerkenswert ist auch, dass der Kalif al-Hākim im Jahr 1005 das "Haus der Weisheit" (dār al-ḥikma) in Kairo errichten ließ, für das er seine Privatbibliothek als Grundstock stiftete. Während seiner Herrschaft entwickelte sich das Haus zu einem Zentrum der islamischen Wissenschaft, das in Konkurrenz zum bis dahin führenden "Haus der Weisheit" von Bagdad treten konnte.
Die strategische Lage am Roten Meer sicherte Ägypten eine dominierende Stellung im Welthandel; Kairo stieg zu einer der wirtschaftlichen und geistigen Metropolen der islamischen Welt auf. Italienische Seestädte gründeten Handelsniederlassungen in Ägypten; Kaufleute aus Amalfi sind schon 996 in Kairo bezeugt, Genuesen um 1100.
Die prachtvolle Altstadt von Kairo lädt auch heute noch dazu ein, diese einzigartige Geschichte zu entdecken und zu erleben, wie sich verschiedene Kulturen über Jahrhunderte hinweg zu dem faszinierenden Schmelztiegel entwickelt haben, den wir heute kennen.
Die architektonische Landschaft von Alt-Kairo offenbart ein faszinierendes Mosaik aus historischen Bauwerken, die das kulturelle Erbe der Stadt lebendig halten. Die mittelalterliche Stadtstruktur mit ihren verwinkelten Gassen und imposanten Bauten erzählt Geschichten vergangener Epochen.
Die mittelalterliche Stadtmauer von Kairo, zu großen Teilen bis heute erhalten, zeugt von der bewegten Geschichte der Stadt. Besonders im Norden stehen noch die beeindruckenden Stadttore Bab al-Futuḥ und Bab an-Naṣr, während im Süden das Tor Bab Zuweila die Zeit überdauert hat.
Der Mamlukengeneral Badr al-Ğamālī beauftragte 1073 drei christlich-syrische Architekten aus Urfa mit dem Bau der Stadtmauer. Diese steinernen Befestigungsanlagen ersetzten die ursprünglichen Lehmziegelmauern und sollten weitere Angriffe der Seldschuken abwehren.
Bemerkenswert ist die qualitätvolle Steinmetzarbeit und die Vielfalt der verwendeten Gewölbebögen – in der gesamten Stadtbefestigung wurden ausschließlich Rundbögen eingesetzt. Für den Bau wurden sogar Materialien von den Pyramiden in Gizeh verwendet – ein faszinierendes Detail der Baugeschichte.
Die Altstadt von Kairo gilt als weltweit größte mittelalterliche Stadt, in der traditionelle Lebensformen noch immer Teil des Alltags sind. Das Phänomen der ḥawārī (Singular ḥāra – Gasse, Seitenstraße) bezeichnet Gruppen von miteinander verbundenen Häusern, die sich einen Hof oder eine Sackgasse als gemeinsamen öffentlichen Raum teilten.
Diese Nachbarschaften fungierten als soziale Einheiten, oft durch Beruf oder Religion verbunden, und boten gleichzeitig Schutz für ihre Bewohner.
Der gemeinsame Hofraum stand nur den Anwohnern zur Verfügung, und Fremde mussten um Erlaubnis bitten, bevor sie ihn betreten durften. Diese Nachbarschaftsstruktur vermittelte den Bewohnern Sicherheit und emotionalen Rückhalt.
Die islamische Architektur prägt bis heute das Stadtbild von Alt-Kairo. Die Al-Azhar-Moschee, gegründet im Jahr 970 vom fatimidischen Kalifen Al-Mu'izz li-Din Allah, entwickelte sich zu einem bedeutenden religiösen und intellektuellen Zentrum des sunnitischen Islam. Die mit der Moschee verbundene Al-Azhar-Universität zählt zu den ältesten Universitäten der Welt.
Die traditionellen Kairoer Häuser weisen charakteristische architektonische Merkmale auf: steinerne Mauern mit hochgelegenen Fenstern im Erdgeschoss und Vorkragen des oberen Stockwerks um etwa einen Meter in den Hofraum.
Diese Bauweise folgte den Regeln der Scharia über Privatheit und Trennung der Geschlechter. Wegen der Feuergefahr war die maximale Höhe der Häuser auf drei oder vier Stockwerke beschränkt.
Der Nil spielte seit jeher eine zentrale Rolle für Kairo. Ein besonderes architektonisches Element, das die Bedeutung des Flusses unterstreicht, sind die Nilometer. Diese Bauwerke dienten zur Messung des Wasserstandes während der jährlichen Flut.
Es gab verschiedene Typen von Nilometern: einfache Pegelskalen an markanten Niluferstellen, Treppen mit skalierten Markierungstafeln oder offene Schächte mit Pegelsäulen.
Der bekannteste Nilometer befindet sich auf der Insel Roda in Kairo und besteht aus einem 10 Meter breiten, quadratischen Brunnen und einer achteckigen Marmorsäule in der Mitte.
Die Nilometer dienten nicht nur zur Vorhersage der zu erwartenden Nilhöhen, sondern auch zur Berechnung der Steuern – nach der Nilfluthöhe richtete sich die Besteuerung der Felder. Ein Besuch dieser architektonischen Besonderheiten gibt faszinierende Einblicke in die ingenieurstechnische Brillanz vergangener Epochen.
Im Herzen von Alt-Kairo entfaltet das koptische Viertel einen besonderen Zauber kultureller und religiöser Vielfalt. Hier begegnen sich christliche und jüdische Traditionen auf bemerkenswerte Weise und erschaffen einen Ort, der Besucher in die Vergangenheit zurückversetzt.
Die Koptisch-Orthodoxe Kirche der Heiligen Jungfrau Maria, besser bekannt als "Hängende Kirche" (al-Kanīsa al-Muʿallaqa), zählt zu den ältesten Kirchen Ägyptens und datiert auf das 3. Jahrhundert zurück. Ihren Namen verdankt sie ihrer einzigartigen Bauweise oberhalb eines Torhauses der römischen Festung Babylon.
Besonders beeindruckend sind die 110 Ikonen im Kircheninneren, deren älteste aus dem 8. Jahrhundert stammt. Die Ikonostase besteht aus kunstvoll gearbeitetem Ebenholz mit Elfenbeinintarsien und zeigt die Jungfrau Maria und die Zwölf Apostel. Vom 11. bis ins 13. Jahrhundert diente die Kirche als Sitz des koptischen Patriarchen von Alexandria.
Tiefer im koptischen Viertel befindet sich die Sergios-und-Bakchos-Kirche, auch Abu Serga genannt. Diese aus dem 5. Jahrhundert stammende Kirche gilt als eine der ältesten koptischen Gotteshäuser Ägyptens.
Nach koptischer Tradition wurde sie an einem Ort errichtet, an dem die Heilige Familie während ihrer Flucht nach Ägypten Zuflucht fand. In der 10 Meter tiefen Krypta sollen Maria, Josef und Jesus gerastet haben – bei hohem Nilwasserstand ist dieser Bereich oft überflutet. Mehrere koptische Patriarchen wurden hier gewählt, darunter Patriarch Isaac (681-692).
Unweit der Kirche Abu Serga steht die Ben-Esra-Synagoge, die älteste Synagoge Kairos. Sie wurde im 9. Jahrhundert gegründet und steht der lokalen Überlieferung nach an der Stelle, wo die Tochter des Pharaos Moses im Schilf fand.
Weltberühmt wurde die Synagoge durch den Geniza-Fund – eine Sammlung von etwa 200.000 Manuskripten auf Hebräisch, Aramäisch und Judäo-Arabisch aus dem Zeitraum vom 9. bis 19. Jahrhundert.
Diese Dokumente, die 1890 entdeckt wurden, bieten einzigartige Einblicke in das mittelalterliche jüdische Leben und haben die Geschichtsschreibung revolutioniert.