Die Mykerinos-Pyramide: Das bescheidene Meisterwerk des Königs Mykerinos
Die Mykerinos-Pyramide – die kleinste der drei Hauptpyramiden von Gizeh – steht oft im Schatten ihrer gigantischen Nachbarn, der Cheops- und Chephren-Pyramide. Doch wer sie genauer betrachtet, erkennt ein Bauwerk von unvergleichlicher Eleganz, Symbolkraft und menschlicher Nähe.
Errichtet im 26. Jahrhundert v. Chr. während der 4. Dynastie, markiert die Pyramide des Königs Mykerinos (Menkaure) den letzten Höhepunkt der klassischen Pyramidenarchitektur des Alten Reiches. Sie steht für einen bewussten Wandel: vom monumentalen Ausdruck göttlicher Macht hin zu einer persönlicheren, fast bescheidenen Form königlicher Ewigkeit.
Mit ihrer ursprünglichen Höhe von 65 Metern – heute etwa 62 Meter – mag sie kleiner erscheinen, doch ihre handwerkliche Präzision, die edlen Materialien und die harmonischen Proportionen machen sie zu einem Meisterwerk ägyptischer Baukunst.
Inhaltsverzeichnis
-
Der König Mykerinos und seine Zeit
-
Die Pyramide im Kontext des Gizeh-Plateaus
-
Architektur und Materialien
-
Der Pyramidenkomplex: Tempel, Aufweg und Kultstätten
-
Das Innere der Mykerinos-Pyramide
-
Bauweise, Materialien und Techniken
-
Symbolik und Wandel im königlichen Selbstverständnis
-
Die Mykerinos-Pyramide heute – Erhaltung und Besuch
1. Der König Mykerinos und seine Zeit
Mykerinos (altägyptisch: Menkaure) war der Sohn des Pharaos Chephren und Enkel des legendären Cheops. Seine Regierungszeit – etwa 2530–2510 v. Chr. – fiel in eine Phase relativer Stabilität und kultureller Blüte.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, deren Bauwerke göttliche Macht demonstrierten, legte Mykerinos mehr Wert auf Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Antike Quellen, darunter Herodot, beschreiben ihn als milden und gerechten Herrscher, der die Religion respektierte und dem Volk Wohlstand brachte.
Diese Haltung spiegelt sich auch in seiner Pyramide wider: kleiner, aber kunstvoller, weniger überwältigend und dafür menschlicher in ihrer Dimension.
Lesen Sie mehr über die Chephren-Pyramide
Pharao Mykerinos entschied sich bewusst für eine kleinere, elegantere Pyramide. Sie sollte Qualität und spirituelle Reinheit über Größe stellen und wurde mit edlem rosafarbenem Granit verkleidet – ein Zeichen königlicher Würde statt monumentaler Macht.
2. Die Pyramide im Kontext des Gizeh-Plateaus
Die Mykerinos-Pyramide steht südlich der Chephren-Pyramide am Rande des Gizeh-Plateaus und bildet den harmonischen Abschluss des berühmten Dreigestirns.
Obwohl sie die kleinste der drei ist, fällt sie architektonisch durch ihre perfekte Proportion und harmonische Lage auf. Sie wirkt wie der ruhige Schlussakkord einer großen Symphonie aus Stein – ein Symbol des Gleichgewichts und der Vollendung.
Von hier aus bietet sich ein atemberaubender Blick auf die anderen beiden Pyramiden und die endlose Weite der Sahara. Dieser Standort war sicherlich bewusst gewählt: Mykerinos wollte seine Verbindung zu seinen königlichen Vorfahren zeigen und gleichzeitig eine eigene, individuelle Identität schaffen.
Erfahren Sie mehr über die Pyramiden von Gizeh
Die unteren Reihen sind aus massivem Assuan-Granit, während der obere Teil aus feinem Tura-Kalkstein gefertigt wurde. Diese zweifarbige Kombination verlieh der Pyramide einst ein auffällig edles Erscheinungsbild.
Gestalten Sie Ihre Traumreise!
Nehmen Sie Kontakt mit unseren lokalen Experten auf und erleben Sie eine unvergessliche Reise.
Planen Sie Ihre eigene Reise3. Architektur und Materialien
Mit einer ursprünglichen Höhe von 65 Metern und einer Basislänge von 108,5 Metern pro Seite ist die Mykerinos-Pyramide rund halb so hoch wie die Chephren-Pyramide. Doch ihre architektonische Raffinesse übertrifft ihre Größe bei Weitem.
Das Besondere an diesem Bauwerk ist die Materialkombination: Während die unteren 16 Schichten aus rotem Granit aus Assuan bestehen, wurde der obere Teil mit feinem Tura-Kalkstein verkleidet. Diese zweifarbige Gestaltung verlieh der Pyramide einen faszinierenden optischen Kontrast – kraftvoll unten, strahlend hell oben.
Der Eingang liegt auf der Nordseite, etwa vier Meter über dem Boden. Die Pyramide besitzt zwei Gänge, die in die Grabkammer führen – ein seltener architektonischer Kniff, der vielleicht der Symbolik zweier Welten (irdisch und göttlich) entsprach.
Archäologen entdeckten einen prachtvollen Basalt-Sarkophag und Reste einer hölzernen Mumienkiste. Leider ging der Sarkophag 1838 beim Schiffstransport im Mittelmeer verloren, doch andere Funde bestätigten die königliche Bestattung.
4. Der Pyramidenkomplex: Tempel, Aufweg und Kultstätten
Wie bei seinen Vorgängern errichtete Mykerinos um seine Pyramide einen kompletten Komplex religiöser Bauwerke:
-
Der Taltempel, am damaligen Nilkanal gelegen, diente als Empfangsort für die königliche Barke.
-
Der Aufweg (Prozessionsweg) führte hinauf zum Totentempel, der direkt an der Ostseite der Pyramide lag.
-
Drei Nebenpyramiden standen an der Südseite – vermutlich für Königinnen oder symbolische Zwecke. Eine dieser kleineren Pyramiden ist heute noch teilweise erhalten.
Der Totentempel des Mykerinos ist besonders bemerkenswert: Er wurde ursprünglich aus Lehmziegeln errichtet – ein Hinweis auf Materialknappheit oder den Tod des Königs vor der Fertigstellung. Sein Nachfolger Schepseskaf vollendete den Bau, indem er Teile mit Kalkstein verkleidete.
In der Nähe des Taltempels wurden mehrere Statuen gefunden, darunter die berühmte Triade des Mykerinos, die den König zwischen den Göttinnen Hathor und einer Personifikation des Niltals** zeigt. Diese Skulpturen gelten als Meisterwerke ägyptischer Kunst und symbolisieren die göttliche Legitimation der Herrschaft.
Zum Komplex gehören drei Nebenpyramiden, vermutlich für Königinnen oder enge Angehörige. Außerdem fanden Forscher im Taltempel kunstvolle Statuen des Pharaos, die heute in Museen in London und Boston zu sehen sind.
5. Das Innere der Mykerinos-Pyramide
Das Innere der Mykerinos-Pyramide ist vergleichsweise schlicht, aber von großer archäologischer Bedeutung. Ein absteigender Gang führt zunächst in eine Vorhalle und anschließend in die Hauptgrabkammer, die tief im Fels eingelassen ist.
Die Kammer besteht aus massiven Granitblöcken und enthält einen rechteckigen Sarkophag, der im Jahr 1837 von Howard Vyse entdeckt wurde. Leider ging der Sarkophag auf dem Transport nach England unter, als das Schiff Beatrice vor der spanischen Küste sank.
Erhalten blieb jedoch ein hölzerner Sargdeckel, der sich heute im British Museum befindet – ein seltenes Zeugnis der Bestattungstraditionen des Alten Reiches.
Obwohl das Grab bereits in der Antike geplündert wurde, fand man hier einige Reste von Statuen, Gefäßen und Inschriften, die Hinweise auf den Kult des Königs geben.
Ja, Besucher können den Eingang auf der Nordseite betreten, wenn sie geöffnet ist. Aufgrund ihrer geringen Größe wirkt der Gang besonders eindrucksvoll und vermittelt ein intensives Gefühl der Nähe zur altägyptischen Geschichte.
6. Bauweise, Materialien und Techniken
Die Bauweise der Mykerinos-Pyramide zeugt von einer Weiterentwicklung der Techniken ihrer Vorgänger.
Archäologen gehen davon aus, dass ein System aus geraden Rampen verwendet wurde, um die schweren Granitblöcke aus Assuan zu transportieren. Der enorme logistische Aufwand – über 800 Kilometer – zeigt die organisatorische Stärke des ägyptischen Staates.
Jeder Block wurde millimetergenau angepasst, sodass kaum ein Spalt zwischen ihnen sichtbar ist. Trotz ihrer geringeren Größe erforderte die Pyramide eine außergewöhnliche Präzision – insbesondere bei der Kombination zweier verschiedener Steinarten.
Die Qualität des Granits ist so hoch, dass viele Teile bis heute glänzen, wenn sie vom Sonnenlicht getroffen werden. Diese Perfektion verlieh der Pyramide ein fast „lebendiges“ Erscheinungsbild – kraftvoll, edel und harmonisch.
Planen Sie Ihre eigene Ägyptenreise?
Unsere Reiseexperten gestalten individuelle Touren, die Geschichte und Komfort vereinen.
Jetzt Anfrage senden und Ihre Traumreise starten!
7. Symbolik und Wandel im königlichen Selbstverständnis
Die Mykerinos-Pyramide markiert einen Wendepunkt in der ägyptischen Baugeschichte. Während die Pyramiden von Cheops und Chephren göttliche Überlegenheit verkörperten, spiegelt die Mykerinos-Pyramide eine menschlichere Vision der Ewigkeit wider.
Die geringere Größe ist nicht Ausdruck von Schwäche, sondern von Bewusstheit und Maß. Mykerinos betonte nicht Macht, sondern Harmonie. Seine Triaden-Statuen zeigen ihn als gerechten König, der mit den Göttern im Einklang herrscht.
Die Verbindung von Granit (Symbol für Dauerhaftigkeit) und Kalkstein (Symbol für Reinheit) könnte bewusst gewählt worden sein, um die Dualität von Körper und Seele, Erde und Himmel, Leben und Tod auszudrücken.
In den Texten des Alten Reiches wird Mykerinos als „Liebling der Götter“ bezeichnet – ein Herrscher, der durch Weisheit, nicht durch Furcht, verehrt wurde.
8. Die Mykerinos-Pyramide heute – Erhaltung und Besuch
Heute können Besucher die Mykerinos-Pyramide im Rahmen eines Besuchs des Gizeh-Plateaus erkunden. Obwohl sie kleiner ist, wirkt ihr Anblick ebenso eindrucksvoll – besonders durch den Kontrast des dunklen Granits zur hellen Wüste.
Teile der Pyramide sind zugänglich, darunter der Eingang und die absteigende Passage. Führungen bieten Einblicke in die Grabkammer und erklären die faszinierenden Details der Bauweise.
Die Nebenpyramiden sind ebenfalls sehenswert: Ihre Strukturen zeigen, wie komplex der königliche Totenkult organisiert war.
Die ägyptische Antikenbehörde arbeitet kontinuierlich an der Erhaltung der Anlage. Restaurierungsmaßnahmen stabilisieren die Verkleidungsschichten und sichern die architektonische Substanz für kommende Generationen.
Ein Besuch der Mykerinos-Pyramide bietet die seltene Gelegenheit, die ästhetische Vollendung und spirituelle Tiefe des Alten Reiches zu erleben – ein Ort, an dem Geschichte greifbar wird und der Geist Ägyptens bis heute weiterlebt.